Am 29. April hat das NEUE FORUM Leipzig das Programm für die Stadtratswahl 2014 beschlossen.
Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Umwelt und Freiheit von staatlicher Bevormundung – das sind die Werte, für die wir in Leipzig vor 25 Jahren auf die Straße gegangen sind. “Demokratie jetzt!” hieß es damals. Bis heute sind diese Ziele nicht vollständig erreicht. Seit 25 Jahren kämpft das NEUE FORUM auch im Leipziger Stadtrat für mehr Bürgerbeteiligung, für die Kraft der Argumente und gegen den sich ausbreitenden Filz. Auch heute sind Frauen und Männer aller Altersstufen bereit, für diese Werte ihre Stimme zu erheben. Deshalb treten wir auch 2014 wieder unter dem Motto an: Macht muss kontrolliert werden!
- Mehr Demokratie, mehr Parlament, z. B. durch Ortschaftsräte als Stadtteilparlamente
- Natur als Kulturgut schützen
- Transparenz stärken
- Soziales, Umweltschutz und Wirtschaftspolitik zusammen denken durch eine vorausschauende Wirtschaftspolitik, nicht durch Arbeit zu jedem Preis!
- Weg von Wirtschaftspolitik, die nur automobiler Monokultur oder Versandhändlern mit kurzlebigen Beschäftigungsverhältnissen dient!
- Kommunalpolitik, die wieder den Namen verdient
- bezahlbares Wohnen für alle
- Attraktiver Nahverkehr, fahrscheinlos
- Finanzpolitik für heute und morgen, keine Privatisierung städtischer Betriebe.
- Hochkultur gleichwertig neben der „kleinen“ Vielfalt
- Bildung und Kultur für alle: Kindergartenplatz – kostenlos für alle vom vierten Lebensjahr an, Schulbibliotheken, Schulsozialarbeit
Wir treten selbstbewusst und solidarisch an, um die Bürgerinnen und Bürger wieder in den Mittelpunkt der Politik zu bringen. Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Bewahrung der Ressourcen für die Nachfolgenden sollten das Maß der Dinge sein.
Bei den letzten Wahlen habe ich immer auch Neues-Forum gewählt. Muss allerdings sagen das mir aktuell nicht ganz klar ist warum ich euch eigentlich wieder wählen sollte.
Das Programm ist ein klassisch Links-Grün, genaugenommen könnte euer Wahlprogramm auch von der Linken oder den Grünen kommen. Was ist das Alleinstellungsmerkmal des NF? Was genau bietet ihr was andere nicht auch bieten?
Außerdem stört mich ein wenig das praktisch nur eine Wunschliste abgegeben wird. Ich konnte keinen Punkt finden wie die ganzen Wahlversprechen (kostenloser Nahverkehr, kostenlose Kitaplätze, kostenlose Bibos usw.) gegenfinanziert werden sollen. Mal ein paar klare Worte dazu wer das alles konkret bezahlen soll wären schön, so im Sinne der Transparenz …
Das ist der Versuch einer kurzen Antwort:
Der wesentliche Unterschied zwischen Linken und Grünen auf der einen Seite und dem NEUEN FORUM liegt darin, dass wir den Menschen primär als Subjekt der Politik betrachten. Von uns wird man keine Forderungen nach Verboten oder staatlichen Eingriffen hören. Uns geht es um Freiheit, und nicht nur um die eigene, sondern auch die der Andersdenkenden.
Darüber hinaus berührt die Anfrage ein grundsätzliches Politikverständnis. Anders ausgedrückt: Wenn in der Politik jemand fragt: „Wie sollen wir das bezahlen?“, dann will er meist das Anliegen verhindern. Tatsächlich hat Deutschland zur Zeit Steuereinnahmen in Rekordhöhe. Dummerweise kommt davon nicht genügend bei den Kommunen an. Das ist ein Problem, aber eins, was lösbar wäre. Man muss es nur wollen.
Das ist übrigens auch das, worauf es ankommt: Was will ich? Was wollen wir als Partei oder Gruppierung? Hat irgendjemand gefragt, ob wir das Geld hatten, die Abwrackprämie zu zahlen, weil es der Autoindustrie schlecht ging? Oder als die Banken gerettet wurden? Oder, um auf die Kommunalpolitik zu kommen, als sich Leipzig für die Olympischen Spiele beworben hat?
Geld ist genügend da. Es muss nur besser verteilt werden. Wir sprechen das Problem im Programm auch an.
Selbstverständlich gibt es Überschneidungen zwischen Programmen. Und das ist gut: Je mehr Parteien eine gute Idee vertreten, umso wahrscheinlicher ist es, dass wir ihre Umsetzung noch erleben. Den fahrscheinlosen ÖPNV wollen allerdings weder die Linken noch die Grünen, dafür die Piraten. Wir haben ihn allerdings schon gefordert, als es noch gar keine Piraten gab. Nach wie vor halten wir es für eine gute Idee. Und die Frage der Finanzierung ist am Beispiel Tallinn auch schon drin: Über Steuern. Wir sind auch bereit, über ein Umlagemodell zu diskutieren. Wir wollen aber vor allem, dass über diese gute Idee diskutiert wird.
Zum Thema „kostenlose Kita“ möchte ich mit einer Gegenfrage kontern: Sind wir uns darin einig, dass es richtig ist, dass Schulbesuch und Studium grundsätzlich kostenlos sind? Wenn ja: Warum soll das bei Kiindergartenplätzen anders sein?
Vielen Dank Herr Jesche für ihre ausführliche Rückmeldung! Ich bin zwar noch nicht wirklich überzeugt, gerade weil die Einnahmenseite für mich nicht wirklich überzeugend ist. Steuererhöhung, wenn ich Ihre Andeutung richtig verstehe, ist zwar mal eine konkrete Angabe aber zum Thema Umverteilung wo GENAU würde das NF denn aktuell in Leipzig Gelder sparen und sie für sinnvollere Dinge ausgeben? Abwrackprämie, Olympia, Bankenrettung usw. alles alte Hüte und waren zum Teil, wie sie auch schrieben, überhaupt nicht in kommunalpolitischer Verantwortung. Wer genau soll denn jetzt bzw. nach dem 25. Mai in Leipzig kein Geld mehr oder wieviel weniger bekommen?
Und weil Sie fragten; Grundsätzlich finde ich es auch immer toll wenn etwas kostenlos, ist gerade Bildung (Ich denke da z.B. an die Volkshochschule.) aber wenn ich nun weiterhin bspw. an kostenlose Kitas oder andere sozialpolitische Geschenke denke dann habe ich Berlin vor Augen. Wie wir alle wissen ist Berlin mehr als Pleite und ohne permanente Unterstützung aller anderen Bundesländer usw. müsste es eigentlich noch heute Insolvenz anmelden, wenn dies überhaupt ginge … Leipzig ist da auch nicht weit entfernt, kein Wunder beide liegen in SPD Verantwortung … Also sagt mir meine Vernunft, die ja auch in Ihren Grundsätzen steht, es geht eben nicht alles. Es sei denn das NF zeigt mir konkret wo es, neben Steuererhöhungen, stattdessen sparen würde …
Sorry, dass es diesmal länger gedauert hat mit der Antwort. Ich muss auch noch einmal ausholen: EIn Wahlprogramm ist kein Papier, das Lösungen für alle Probleme beinhaltet. Wir streben ja kein Königsamt an und erwarten auch nicht eine Mehrheit, mit der wir die Stadtverfassung ändern könnten 🙂 Ein Wahlprogramm bezeichnet vielmehr die Ausgangspunkte, mit denen wir in die politische Diskussion der kommenden Legislaturperiode gehen wollen, damit die Wählerinnen und Wähler wissen, womit sie zu rechnen haben. Im Aushandlungsprozess mit den anderen Parteien, die ganz andere Interessen vertreten, geht da von allein einiges verloren. Politik ist die Kunst, einen Kompromiss zu finden. Es wäre aber Unsinn, von vornherein mit einem Vorschlag zu starten, der nur die Hälfte dessen ist, was man will.
Die Pleite von Berlin (Bundesland, daher auch noch etwas anders gelagert) und vielen anderen Städten der SPD zuzuschieben, vereinfacht die Sache aber über Gebühr. Man muss doch erst einmal fragen: Wie kommen Städte zu ihren Einnahmen? Der Hauptteil kommt durch anteilige Zahlungen aus den gesamten Steuereinnahmen, die Bund, Länder und zum kleinsten Teil die Kommunen erhalten. Diese Verteilung der Steuereinnahmen ist in Deutschland seit der Ära Kohl aus dem Gleichgewicht gekommen: Städte erhalten weniger Geld und sind immer weniger in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen. Ziel einer solchen Politik kann nur sein, Druck auszuüben, um einerseits die Macht der Bundesregierung im Gefüge Bund-Länder-Kommunen zu stärken und andererseits Bedingungen zu schaffen, unter denen Städte zu Privatisierungen von Stadt- und Wasserwerken usw. geneigt sind. Bei den Finanzausgleichssystemen (Kommunaler Finanzausgleich, Länderfinanzausgleich) muss sich dringend etwas ändern, und zwar so, dass das Geld, das Kommunen brauchen, auch bei den Kommunen ankommt. Das fordern übrigens nicht nur wir. Wir können es aber umso lauter fordern, weil wir keine Rücksicht auf Parteikollegen nehmen müssen, die in der Bundes- oder Landesregierung dafür Verantwortung tragen.
Versuch einer weiteren Antwort an Martin:
1.) Der Staat Bundesrepublik hat volkswirtschaftlich betrachtet weder ein Finanzierungsproblem noch ein Schuldenproblem. Die Außenhandesbilanz-Überschüsse sind so hoch, dass dieses Ungleichgewicht für andere Staaten in der Euro-Währungsunion arge Probleme mit sich bringt, was in den Medien des Auslandes durchaus auch diskutiert wird. Staaten mit Handelsbilanzüberschüssen können Schulden aufnehmen soviel sie wollen. Ideologisch kann man aus Staatsschulden natürlich ein Problem stilisieren, keine Frage, woraus nicht? Aber in Japan sind die Rekord-Staatsschulden kein Thema und in den USA ereifern sich nur die finanzpolitischen Fundamentalisten der Tea-Party-Bewegung in den Reihen der Republikaner ähnlich darüber wie in Deutschland nun die Mehrheit der Parteien.
2.) Die Finanznot der Kommunen ist das erfolgreiche Ergebnis einer bewussten Strategie der CDU, wie in den Veröffentlichungen von deren kommunalpolitischer Vereinigung in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts nachgelesen werden kann. Die Kommunen haben selbst die geringsten rechtlichen Spielräume und ihre Handlungsfreiheit wurde durch geänderte Steuergesetzgebung bewusst zunehmend eingeschränkt. – Wenn es nichts mehr zu verteilen gibt, sondern nur noch Kürzungsdebatten anstehen, ähneln sich die Parteien auf hoffnungslose Weise an. Dann sehen auch die Konservativen und rechten Liberalen nicht mehr viel schlechter aus als die anderen Parteien …
3.) Unlängst hat auch die OECD kritisiert, dass ein so reiches Land wie die Bundesrepublik kein Ausgabenproblem habe, sondern lediglich Handlungsbedarf auf der Einnahmen-Seite. Unter Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde sogar der Spitzensteuersatz so tief gesenkt wie nie zuvor in der Bundesrepublik. Inzwischen ist er immerhin wieder etwas angehoben worden. Auch die Wiedereinführung der Vermögenssteuer wäre eine feine Sache – sogar dann, wenn der Gesetzgeber ein paar Millionen Freibetrag einräumte. Das BIP ist doch stets gestiegen …
4.) Volkswirtschaftliche Vernunft sagt uns, dass ein Staat – mögen auch einige Politiker das Gegenteil behaupten – in eigener Währung nun einmal nie insolvent werden kann, er kann sich in Fremdwährung verschulden, mehr ist nie zu befürchten …
Im Falle Deutschlands gäbe es keinerlei ökonomische Probleme. Politisch-ideologische Schein-Probleme kann man natürlich interessegeleitet stets auch wider besseren Wissens aufblähen. Zu denken wäre zum Beispiel an Gerhard Schröders enthemmten Unsinn, die Globalisierung erzwänge die Kürzung der Leistungen für Arbeitslose. – Er hat dies in einer Zeit behauptet als die Bundesrepublik unbestritten in absoluten Zahlen „Exportweltmeister“ war! Kann ein Land mehr erreichen als im Prozess der Globalisierung als weltweit Sieger zu sein? Dabei sei einstweilen dahingestellt, ob dieses Streben nach „nationaler Wettbewerbsfähigkeit“ wirklich gut ist. Alle auffälligen Ungleichgewichte erzeugen in der Ökonomie gelinde gesagt Schwierigkeiten. Die abhängig Beschäftigten haben wenig von diesem Fetisch „Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“. Den Arbeitslosen geht es seit 2005 erheblich schlechter und im Niedriglohnbereich sind die Einkommen in den letzten zehn Jahren um 20 Prozent gesunken, wie auch Die Zeit im Januar zutreffend geschieben hat.
5.) Abschließend zu Ihrer Anfangsfrage, worin das Alleinstellungsmerkmal des Neuen Forum bestehen könnte. Die Mehrheit der Kandidaten dürfte dem pro-kapitalistischen Spektrum zwischen Linksliberalismus und klassischer Sozialdemokratie zuzurechnen sein. Sicher sind solche Positionen auch in anderen Parteien bei Einzelpersonen zu finden. Z. B. habe ich mit Freude beobachtet, wie in Der Linken Sahra Wagenknecht von einst krudem Marxismus zu einer klar pro-kapitalistischen Bejahung des Wohlfahtsstaates gefunden hat. Ebenso freut es mich, wenn in der CSU ein Peter Gauweiler betont, man müsse nicht Ökonom sein, um zu bemerken, dass die vermeintliche „Rettung“ Griechenlands der griechischen Wirtschaft nur schaden kann und letztlich eine Gefahr für Europa ist. Eine klare Einheitsmeinung ist also auch in anderen Parteien nicht vorhanden, aber es lässt sich schon aus den Veröffentlichungen entnehmen, was der Trend jeweiliger Mehrheiten ist. Deshalb verweisen wir auf unser Kommunalwahl-Programm.