Reinhard BernhofUlla BernhofMit einem persönlichen Flugblatt haben sich Ulla und Reinhard Bernhof, die für das NEUE FORUM Leipzig in den Wahlkreisen 8 und 9 kandidieren, an “die Wähler und Nichtwähler” gewandt. Hier der Text:

Flugblatt an alle Wähler und Nichtwähler
Dieses Flugblatt geben wir Ihnen als Mitbegründer des NEUEN FORUMS (Sept. 89), als noch Polizisten in Kampfanzügen mit Nackenschutz & Schilden ihre Bunanudeln (Schlagstöcke) zum Tanzen brachten. Wir sammelten  zunächst Unterschriften für die Bürgerinitiative – mit Namen und Adresse. Wir wollten damals mithelfen, die Freiheitsrechte einzufordern und die Demokratie anzuschieben. Leider ist uns das bis heute nur zum Teil gelungen. Die sozialen Nöte der traurigen Gestalten in der sogenannten Heldenstadt sind auch zum 20. Jahrestag der Friedlichen Revolution noch mehr als schockierend. Demokratie heißt auch teilen …, nicht nur raffen. Jeder, der auf irgendeine Weise nach dem Umbruch auf irgendeinen Stuhl, in irgendeinen Sessel gelangt ist, wärmt sich persönlich und denkt wohl überwiegend nur noch an sein kleines warmes Hinterteil. Das haben die meisten unserer Bürger inzwischen erkannt, denn anders kann ich mir ihre Wahlverdrossenheit nicht erklären. – Gemeinnützigkeit oder dienend für das Wohl aller will natürlich jeder … Auf allen Plakaten will Ihnen jemand etwas Gutes. Ich will Dir Gutes tun! – Pflege ihres Lächel-Instinkts … Selbst mehr Parkplätze fordern manche Kandidaten … In Grünanlagen?
Wir vom NEUEN FORUM waren ’89 eine große Massenbewegung. Auch heute noch wirken wir im damaligen Sinne. Wir sind nach wie vor gegen die Privatisierung städtischen Eigentums, gegen den Ausverkauf von Krankenhäusern, von kommunalen Abwasser- und Kanalisationssystemen … Überall wird das Verkaufte/Erkaufte von den Erwerbern gleich wieder weiterverscherbelt oder mit Krediten, Darlehen neu belastet, dass selbst die Großrechner der Weltkonzerne, wie es ihre Bankrottstatistiken augenblicklich aufzeigen, schon am Kotzen sind. Dennoch glauben manche, es möge ein Rückkauf gelingen … Wer es glaubt, wird selig.
Der U-Bahn-Bau in unserer Stadt ist ein Millionengrab geworden. Viele fragen sich: Werde ich den Tunnel je benutzen? Der Sachsenplatz – früher gab es dort schön geschnittene Kugel-Ahornbäume, Bänke zum Ausruhen und Springbrunnen, ein Informationszentrum, der Umgebung angepasst … Nun verunziert ein bedrückend wirkender Beton-Klotz den einst so schönen Platz. Kann das wirklich für die nächsten 100 Jahre so gewollt sein? Haben die Stadträte und der Oberbürgermeister damals geschlafen?
Die Kinder sind unser höchstes Gut. – Was hätte man alles für sie dafür machen können.
In den Schulbibliotheken ist nicht viel los. Kaum eine Veranstaltung, so gut wie keine Vorleser oder Schriftstellerlesung, um den Kindern eine nachhaltige Ethik des Miteinanders zu vermitteln, weil angeblich kein Geld dafür vorhanden sei. Die Pausengespräche der Kinder auf den Schulhöfen  sind oftmals von Darstellungen erfüllt, die sie im Fernsehen nach der Schule oder abends, wenn ihre Eltern nicht zu Hause sind, gesehen haben: Leute hauen sich mit Flaschen übern Kopf, stecken Messer in die Körper oder werfen sie wie Puppen aus dem Fenster. – Sind Kinder wirklich so begeistert, wenn immer nur Blut fließt?
Die Arbeitslosigkeit in und um Leipzig ist nach wie vor auf hohem Niveau: Zirka 60 Tausend, die sich ständig – ihrer Würde beraubt – melden, abmelden für irgendeinen Freigang …
Das Recht auf Arbeit ist ein Menschenrecht, besonders für all jene ohne Besitz. Besitzlose können nicht mehr verkaufen als ihre Arbeitskraft. Aber nicht für 1 Euro, sondern für einen Mindestlohn. In den Suppenküchen & Tafelvereinen der Stadt wird gekocht, was die Thermo-Printer – gesponsert von DaimlerChrysler – nur so hergeben. Die große Löffelfamilie in Leipzig bekommt sogar Nachtisch, Pudding mit Gelantine … Ja, das Leben ist gut! Keiner verhungert bei uns! (Anachronismus von Anno dazumal). – Überall inzwischen Tippelbrüder, Jäger & Lumpensammler, die Müllltonnen & Container abklappern. Überall nun Ausgebürgerte durch Stütze. Überall nun Deliriums-Sieche, aufgedunsene Existenzkomplizen und Menschenreste aus der Wir-Gemeinschaft … Einst forderten wir alle gemeinsam Reisefreiheit; nun verharren viele von uns hinter Gesetzen, die uns wie von Stacheldrahtblüten umgeben gefangen halten. Konzerte, Theaterbesuche und Oper sind für viele schon zum Fremdwort geworden. Der sogenannte Leipzig-Pass nur eine Farce. Grundabsicherung, die die Kulturbedürfnisse berücksichtigt, wäre für alle Bürger auch eine christliche Notwendigkeit; denn Almosenausweise & Demokratie passen nicht zusammen. Ich sprach ja anfangs vom Teilen …
9. Mai 2009, Reinhard und Ulla Bernhof

Flugblatt an alle – Ulla und Reinhard Bernhof (pdf)