Foto: Volkmar Kreiss

Einer der wenigen Höhepunkte der LVZ-Podiumsdiskussion der OBM-Kandidaten war, als der unabhängige Bürgerkandidat Dirk Feiertag unvermittelt an einem Beispiel erklärte, wie intransparent Verwaltung sein kann, aber nicht sein muss und spontan eine Liste mit Telefonnummern der Mitarbeiter der Widerspruchsstelle des Jobcenters Leipzig im Publikum verteilte. Der Moderator war verunsichert und das Publikum spendete Beifall.

Zum Hintergrund: Wer eine Frage zu seinem Antrag auf Leistungen hat, kann entweder zum Jobcenter fahren und dort nachfragen, Wartezeit inklusive. Wer sich per Telefon erkundigen will, landet unter der zentralen Einwahl in einem Callcenter. So kennt man es von vielen großen Unternehmen, es ist die ganz normale Praxis zur vermeintlich größeren Effizienz, vor allem aber, um Lohnkosten zu sparen. Callcentermitarbeiter gelten als ungelernt, werden nur geschult und nicht ausgebildet und verdienen entsprechend wenig.

Das hat Folgen, nicht nur im Jobcenter, sondern auch in der Privatwirtschaft: Erstens: Die Mitarbeiter des Callcenters verfügen nicht über die Kompetenz, die Kunden umfänglich zu informieren. Zweitens: Das stellt Kunden nicht zufrieden.

Arbeitsagentur LeipzigOb das Verfahren des vorgeschalteten Callcenters wirklich Effizienzgewinne bringt, ist darum anzuzweifeln. Wenn ich als Antragsteller keine hinreichende Auskunft bekomme, rufe ich wieder und wieder an oder gehe doch zum Amt und beanspruche den Sachbearbeiter. Wenn ich mit einem Dienstleister dauerhaft unzufrieden bin, wechsle ich den Anbieter. Kunden des Jobcenters können das allerdings nicht. Für sie stellt diese Praxis eine Einschränkung ihrer Freiheit dar und begünstigt einseitig die Behörde.

Auch ein Anwalt kommt nicht telefonisch zu einem Sachbearbieter des Jobcenters durch. Abgesehen davon, dass das Callcenter des Jobcenters überlastet und schlecht erreichbar ist, weigern sich die Mitarbeiter dort, Durchwahlen herauszugeben. Das führt zwangsweise zu mehr Klagen, denn wenn kein Dialog möglich ist, muss das Sozialgericht bemüht werden. Effizienz sieht anders aus.

Dirk Feiertag, Sozialanwalt, stand selbst vor diesem Problem. Seine Kanzlei wollte im Auftrag von Mandanten mit einem Sachbearbeiter telefonieren. Keine Chance, über das Callcenter durchzukommen, allenfalls mit erheblichen Wartezeiten. Die Kanzlei bat das Jobcenter um die Durchwahlen der Mitarbeiter. Sie wurde verweigert. Er wies das Jobcenter Leipzig darauf hin, dass die Praxis der Verleugnung durch das Callcenter rechtswidrig ist, leider ohne Erfolg. Daraufhin klagte die Kanzlei FSN-Recht, der Dirk Feiertag angehört, gegen das Jobcenter und gewann. Am 10. Januar 2012, an dessen Abend die oben erwähnte Podiumsdiskussion stattfand, entschied das Verwaltungsgericht Leipzig: Das Jobcenter muss die Durchwahlen herausgeben. Die Nichtherausgabe verstößt gegen das Informationsfreiheitsgesetz.  Organisationsstruktur oder Sicherheitsbedenken des Jobcenters schränken das Recht der Bürger auf Zugang zu amtlichen Informationen nicht ein.

Pikant: Selbst das Gericht war fast am überlasteten Callcenter gescheitert, als es in der Sache Kontakt zum Jobcenter gesucht hatte. (L-IZ) Interessant war auch die Antwort des amtierenden Oberbürgermeisters während der LVZ-Podiumsdiskussion zur Frage von Dirk Feiertag, warum er, Burkhard Jung, in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Trägerversammlung des Jobcenters nichts gegen die rechtswidrige Praxis unternommen habe: „Die sollen auch arbeiten, nicht telefonieren.“ Das hat fast schon Sponti-Qualität: Legal, illegal, scheißegal.

Eine Liste der Durchwahlen zu den Widerspruchsstellen des Jobcenter Leipzig erhalten Sie jetzt auch auf der Homepage von Dirk Feiertag oder hier.

Gerichtsurteil: Diensttelefonnummern des Jobcenters Leipzig müssen veröffentlicht werden! | Dirk Feiertag – Leipziger OBM-Kandidat.

Quellen: fsn-recht.de, IFG, Gesetze im Internet,

Presseberichte: Leipziger Internetzeitung, LVZ online, Legal Tribune online, Leipzig-Fernsehen, Sozialhilfe 24, test.de

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