Die Befreiung Leipzigs und die Chance der demokratischen Entwicklung 1945
Am 18. April 1945 wurde Leipzig durch die U.S. Army befreit. Bis heute gibt es keinen würdigen Platz des Gedenkens in der Stadt. Eine Initiative will darum am Sonntag, dem 18.04.2010, 16:00 Uhr, vor der „Runde Ecke“, Dittrichring 24, ein Zeichen setzen:
Leipzigs Befreier haben einen Ort der Erinnerung verdient!
Wir geben nachfolgend die Presemitteilung der Initiatoren wieder:
In diesen Tagen jährt sich zum 65. Mal die Befreiung Deutschlands und Europas vom Nationalsozialismus. Zur Selbstbefreiung vom Nationalsozialismus fehlten dem deutschen Volk in seiner Gesamtheit Einsicht und Kraft. Zu wenige leisteten Widerstand. Diejenigen, die es taten, bezahlten dafür oft mit ihrem Leben. So erfolgte die Befreiung Deutschlands durch die alliierten Streitkräfte der Anti-Hitler-Koalition. Am 18. April 1945 erreichten amerikanische Truppen der 2. und der 69. Infanteriedivision das Leipziger Stadtzentrum. Gleichwohl ist dieser Tag überschattet von einem der schwersten Verbrechen der Nazis in Leipzig: der Ermordung von 300 Zwangsarbeitern im Lager Abtnaundorf, wovon 100 von der Waffen SS bei lebendigem Leibe verbrannt wurden. Auch daran gilt es zu erinnern. Am 19. April 1945 erzwangen die Amerikaner die Kapitulation Leipzigs. Für die Befreiung Leipzigs starben amerikanische Soldaten. So verlor am Mittag des 18. April 1945 am Straßenbahnhof Angerbrücke als einer der letzten Kriegstoten ein amerikanischer Soldat sein Leben. Er hatte in dem Eckgebäude Jahnallee/Lützner Straße Position bezogen. Der international bekannte Fotograf Robert Capa hielt den Tod des Soldaten in dem weltberühmten Foto „Der letzte Tote des Krieges“ fest. Dieses Foto von Capa erschien am 14. Mai 1945 im Life-Magazine und ging um die ganze Welt. Am 19. April 1945 nahm die Alliierte amerikanische Militärregierung von Leipzig ihre Arbeit auf. Um 16.30 Uhr trat für Leipzig die Proklamation Nr. 1 des alliierten und späteren US-Präsidenten, Dwight D. Eisenhower, in Kraft. Mit dieser Proklamation Nr. 1 wurden u. a. sofort die Nürnberger Rassengesetze und andere menschenfeindliche, undemokratische Gesetze außer Kraft gesetzt.
In der Proklamation Nr. 1 heißt es u. a.: „Wir kommen als siegreiches Heer, jedoch nicht als Unterdrücker. In dem deutschen Gebiet, das von Streitkräften unter meinem Oberbefehl besetzt ist, werden wir den Nationalsozialismus und den deutschen Militarismus vernichten, die Herrschaft der NSDAP beseitigen, die NSDAP auflösen sowie die grausamen und ungerechten Rechtsätze und Einrichtungen, die von der NSDAP geschaffen worden sind, aufheben. Den deutschen Militarismus, der so oft den Frieden der Welt gestört hat, werden wir endgültig beseitigen. … Alle deutschen Gerichte, Unterrichts- und Erziehungsanstalten innerhalb des besetzten Gebietes werden bis auf Weiteres geschlossen. Dem Volksgerichtshof, den Sondergerichten, den SS Polizei-Gerichten und anderen außerordentlichen Gerichten wird überall im besetzten Gebiet die Gerichtsbarkeit entzogen. Die Wiederaufnahme der Tätigkeit der Straf- und Zivilgerichte und die Wiedereröffnung der Unterrichts- und Erziehungsanstalten wird genehmigt, sobald die Zustände es zulassen.“ Die Amerikaner begannen sofort mit dem Neuaufbau der demokratischern Strukturen. Am 23.04.1945 setzten sie den Leipziger Rechtsanwalt Wilhelm Johannes Vierling als neuen Oberbürgermeister sowie den bis 1933 amtierenden Polizeipräsidenten Heinrich Fleißner wieder in sein Amt ein. Diese demokratische Entwicklung wurde leider mit der Übergabe Leipzigs an die Rote Armee am 2. Juli 1945 abgebrochen. Wir Leipziger haben den amerikanischen Befreiern, die das Tor zu einem demokratischen Neuanfang öffneten, viel zu verdanken. Umso schmerzlicher ist es, dass es in Leipzig bis heute keinen offiziellen Ort des Erinnerns an die gefallenen US-Soldaten sowie an das Wirken der Alliierten Militärregierung von Leipzig gibt. Leipzigs Befreier haben einen Ort der Erinnerung mehr als verdient. Deshalb wollen wir am Sonntag, 18.04.2010, 16.00 Uhr, an den 65. Jahrestag der Befreiung Leipzigs durch die US-Armee und des Inkrafttretens der Proklamation Nr. 1 erinnern. Dabei werden wir die Proklamation Nr. 1 präsentieren (siehe Anlage). Wir wollen dies an der „Runden Ecke“ tun, weil, als Ironie der Geschichte, die „Runde Ecke“ 1945 von der amerikanischen Militäradministration genutzt wurde. Die „Runde Ecke“ kann somit als Geburtsort der demokratischen Nachkriegsentwicklung Leipzigs gesehen werden. Wir freuen uns besonders, dass wir zu dieser Veranstaltung die Generalkonsulin der Vereinigten Staaten von Amerika in Leipzig, Katherine Brucker, begrüßen können. Mit diesem Zeichen wollen wir zugleich die Diskussion anstoßen, wie Leipzig einen Ort des Erinnerns an die Befreiung 1945 und an die Chance zum Beginn der demokratischen Entwicklung erhält. Wir würden uns freuen, wenn unsere Initiative Ihr Interesse findet und wir Sie am Sonntag, 18.04.2010, 16:00 Uhr, vor der „Runde Ecke“, Dittrichring 24, begrüßen können.
Uwe Mietz, Freundeskreis Leipzig – Houston
Rainer Müller, Lindenauer Stadtteilverein
Gernot Borriss, Historiker