25 Jahre Einheit ohne Gleichheit

Für Menschenrechte, Rechts- und Sozialstaatlichkeit, Bewahrung der Umwelt und für den Schutz der Freiheit des Individuums gegen staatliche Bevormundung sind wir in Leipzig vor 25 Jahren gegen den DDR-Staat angetreten. “Demokratie jetzt!” hieß es damals und die DDR wurde erfolgreich hinwegdemonstriert. Der Weg in den wohlfahrtsstaatlichen Kapitalismus und die staatliche Einheit Deutschlands war geebnet. Die rechtliche Gleichheit in Ost und West ist in der Bundesrepublik allerdings bis heute nicht verwirklicht.

Seit Umsetzung der rot-grünen Konter-Reformen – von Zulassung der Scheinselbständigkeit bis zur Enteignung der abhängig Beschäftigten von ihren Versicherungsleistungen und zur Einführung von ALG II – hat sich die soziale Situation weiter Teile der Bevölkerung verschlechtert und das Reallohnniveau stagniert. Rund 4,4 Millionen Menschen haben im vergangenen Jahr Leistungen nach Hartz IV bekommen. Das sind trotz des Wirtschaftswachstums und abnehmender Bevölkerungszahl nur rund 500.000 weniger als bei der Einführung des Arbeitslosengeldes II im Jahre 2005. Rund 600.000 Menschen arbeiten und müssen dennoch Geld beim Jobcenter beantragen, weil sie zu wenig verdienen. Hartz-IV-Empfänger sind permanent von Sanktionen bedroht und unterliegen einer vordemokratischen Arbeitspflicht. Subventionierte Ein-Euro-Jobs bedrohen feste Stellen. Die Zahl der Erwerbstätigen ist 2013 auf 41,84 Millionen Menschen gestiegen, doch ohne Umverteilung des Arbeitsquantums durch Arbeitszeitverkürzung ist die Arbeitslosigkeit nicht zu beheben.

Wenn die Bundesregierung heute die zweitniedrigste Arbeitslosenquote in Europa feiert und mit ihr die Leipziger SPD, darf der Hintergrund gestiegener Arbeitslosigkeit in ganz Europa nicht vergessen werden. Die deutsche Politik staatlichen Lohn-Dumpings im produktivsten Staate Europas wirkt sich bedrohlich auf die gesamte Euro-Zone aus. Anti-keynesianische Wirtschaftspolitik will uns glauben machen, Privatisierungen, die Zerstörung des öffentlichen Dienstes und weiterer Sozialabbau seien in Griechenland und anderswo unumgänglich.

Seit 25 Jahren kämpft das NEUE FORUM auch im Leipziger Stadtrat für mehr Bürgerbeteiligung und für die Kraft der Argumente. Nach wie vor sind Frauen und Männer aller Altersstufen bereit, dafür ihre Stimme zu erheben. Deshalb treten wir auch 2014 wieder unter dem Motto an: Macht muss kontrolliert werden!

Die finanzielle Situation der Kommunen ist nicht besser geworden und wir wissen, dass ohne Veränderungen auf Bundesebene die Chancen von Kommunalpolitik leider sehr begrenzt sind. Dennoch kann eine Stadt wie Leipzig noch Prioritäten setzen und sozialpolitische Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger bewirken.

Wir feiern in diesem Jahr den 25. Jahrestag der Friedlichen Revolution ebenso wie den 65. Jahrestag der Gültigkeit des Grundgesetzes. Darauf aufbauend ist das NEUE FORUM für mehr Demokratie. Dazu gehört, die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger an der Kommunalpolitik zu erweitern.

Mehr Demokratie, mehr Parlament(e)!

In den Stadtteilen sollen Ortschaftsräte als Stadtteilparlamente gewählt werden, die mit einem eigenen Budget ausgestattet werden und über die Belange des Stadtteils selbst entscheiden können.

Wer sollte sich besser auskennen als diejenigen, die vor Ort wohnen, wenn es darum geht, Stadtviertel und Ortsteile sozial vielfältig zu erhalten, wieder herzustellen bzw. zu ergänzen und öffentliche Räume vor Verwahrlosung und Erholungsräume vor Kommerzialisierung zu schützen?

Natur ist Kultur

Parks und naturnahe Räume wie der Leipziger Auwald sind ein wichtiger Bestandteil Leipziger Lebenskultur. Sie sind vor Übernutzung zu schützen. Sanfte Naherholung, also die umweltschonende Nutzung der Parks, Wälder und Gewässer, darf nicht durch kommerzielle Begehrlichkeiten verdrängt werden.

Transparenz

Das Akteneinsichtsrecht für Verbände, kommunale Abgeordnete und jede Einzelperson ist zu sichern und zu erweitern.

Soziales, Umweltschutz und Wirtschaftspolitik zusammen denken

Wir erheben unsere Stimme immer, wenn Menschen in Notlagen von Regierenden unter dem Einfluss von Lobbies zusätzlich unterdrückt werden, um den Gewinn und den Wert großer Unternehmen zu steigern, die Leipzig wenig nützen.

Wir fordern eine vorausschauende Wirtschaftspolitik, die ebenso den Umweltschutz im Blick behält wie den Erhalt von Arbeitsplätzen, ohne beides gegeneinander auszuspielen.

Unter Arbeitsplätzen verstehen wir dabei solche Erwerbsarbeit, von der man leben kann, die wohnungsnah stattfindet, und die eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben ermöglicht. Nicht Arbeit zu jedem Preis!

Wir lehnen die Subventionierung ganzer Branchen durch Konstrukte wie Aufstockerlohn oder Ersatz regulärer Arbeitsplätze durch 1-Euro-Jobs oder dergleichen ab.

Leipzig braucht mehr Firmengründungen außerhalb von Automotive&Logistics, z. B. im Bereich Buch und Medien. In automobiler Monokultur oder bei Versandhändlern mit kurzlebigen Beschäftigungsverhältnissen sehen wir keine nachhaltige wirtschaftliche Perspektive für Leipzig.

Verantwortliches Handeln einer Stadtverwaltung in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit und Prekarisierung heißt Schaffung neuer vollwertiger, sozialversicherungspflichtiger und nach Tarif bezahlter Arbeitsplätze in städtischen Einrichtungen, also Neueinstellungen statt Entlassungen! Bedarf gibt es genug.

Wir fordern einen Vergabekodex, der vorschreibt, dass von der Stadt oder städtischen Unternehmen beauftragte Firmen keine Löhne unter 8,50 pro Stunde zahlen. Dabei wollen wir nicht warten, bis die Bundesregierung zu einem Mindestlohn kommt und wir wollen auch keine Ausnahmen für “zu integrierende” Langzeitarbeitslose.

Seit Jahrzehnten steigt die Produktivität in Deutschland um fast 2 Prozent pro Jahr. Die Verringerung des Arbeitsvolumens ist ein Erfolg marktförmiger Wirtschaft. Wenn es aber keine Arbeitszeitverkürzungen mehr gibt und das Reallohnniveau stagniert, kann die Arbeitslosigkeit nicht abnehmen. Arbeitslosigkeit ist kein Problem der Vermittlung, sondern eines der nicht vorhandene Stellen. Wir lehnen daher jede Diskriminierung von Hartz-IV-Beziehenden oder gar die Kürzungen der ohnehin zu gering bemessenen Grundsicherung ab. Und außerdem: Die Kostenerstattung für die Unterkunft ist entsprechend der realen Situation in Leipzig anzuheben.

Alle, die über weniger als das steuerliche Existenzminimum verfügen, müssen endlich das Recht auf den Leipzig-Pass haben. Die Leistungen des Leipzig-Passes sind so zu erweitern, das jeder und jedem tatsächlich eine soziokulturelle Teilhabe möglich ist. Wir fordern die Wiedereinführung der im Zusammenhang mit der Agenda 2010 im Jahr 2005 eingestellten Einmalzahlungen an Beziehende der so genannten „Grundsicherung“ (Sozialgeld, ALG II) sowie die vollständige Übernahme der tatsächlichen Kosten für die Schulbildung ihrer Kinder.

Kommunalpolitik, die wieder den Namen verdient

Wir stehen für eine Wiederbelebung der politischen Hoheit der Kommunen, nicht nur in Leipzig. Die politische Entmündigung der kommunalen Ebene durch Vorenthalten von Steuermitteln trotz wachsender Ausgaben muss ein Ende haben. Dieses Ziel können wir nicht allein erreichen, sondern nur zusammen mit anderen kommunalpolitischen Akteuren. Die politische Gestaltungskraft darf nicht auf Bundes- und Landesebene beschränkt werden.

Wohnen

Wohnraum muss bezahlbar bleiben – nicht nur durch bessere Einkommen und scheinbare Preisbremsen, sondern auch durch eine eher bescheidene Sanierung der Bausubstanz statt Luxussanierung. Vorhandene Initiativen sind dabei zu stärken.

Attraktiver Nahverkehr, fahrscheinlos

Das ÖPNV-Angebot soll ausgebaut werden, einschließlich der Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln. Wir wollen einen fahrscheinlosen Nahverkehr in Leipzig probieren. Als Vorbild dient dabei das Modell Tallinn.

Finanzpolitik für heute und morgen

Wir fordern eine kommunale Finanzpolitik, die sich nicht nur am Hier und Heute orientiert, sondern die Interessen auch der nachfolgenden Generationen berücksichtigt.

1. Mit uns gibt es keine Privatisierung städtischer Betriebe.

2. Wir fordern Einsparungen bei unsinnigen Bauprojekten, beim Stadt- und Kultur-Marketing, bei Imagekampagnen.

Kultur hat viele Gesichter

Für uns steht die Hochkultur gleichwertig neben den vielen Initiativen und Vereinen, die ein Recht auf Förderung und Entfaltung haben, das ihnen nicht unter dem Vorwand knapper Kassen beschnitten werden darf. Der Beschluss des Stadtrats vom September 2008, den Etat der freien Kulturszene in den kommenden Jahren auf 5 % des gesamten Kulturetats zu erhöhen, ist konsequent umzusetzen. Der von anderen Parteien immer wieder betriebenen Aufweichung dieses Beschlusses wird das NEUE FORUM entgegenwirken.

Bildung und Kultur für alle!

Wir brauchen noch einmal verstärkte Anstrengungen für die Umsetzung des Rechts auf einen Kindergartenplatz – kostenlos für alle vom vierten Lebensjahr an. Das ist echte Chancengleichheit. Das NEUE FORUM setzt sich für die Verbesserung des Betreuungsschlüssels in Kinderkrippen und Kindergärten ein. Mehr qualifiziertes Personal sichert die notwendige individuelle Betreuung und Förderung unserer Kinder.

Das NEUE FORUM setzt sich für die Sicherung der bestehenden Schulbibliotheken durch Bereitstellung ausreichender Mittel ein.

Schulsozialarbeit ist ein wichtiges Instrument und muss dauerhaft gesichert und ausgebaut werden.

Seit 600 Jahren gehört die Universität zur Stadt. Ihr verdankt die Stadt viel. Freie Lehre ohne Bevormundung durch Politik oder Wirtschaft gehört zu den höchsten Gütern in der Stadt. Die geplanten Kürzungen der Staatsregierung lehnen wir ab.

Wir sind nach wie vor für die Abschaffung der Zweitwohnungssteuer genauso wie für den kostenlosen Zugang zu den Beständen der städtischen Bibliotheken und Archive.

Wir sind der Souverän!

Wir treten selbstbewusst und solidarisch an, um die Bürgerinnen und Bürger wieder in den Mittelpunkt der Politik zu bringen. Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Bewahrung der Ressourcen für die Nachfolgenden sollten das Maß der Dinge sein.